Nähe und Distanz

Unzufriedenheit in Beziehungen

Jeder kennt mal Unzufriedenheit in Beziehungen. In der Presse fehlt es nicht an Beispielen, genauso wenig in Filmen, Büchern… Ein echtes Alltagsproblem, mal, weil es einem an etwas fehlt, mal weil es an etwas zuviel gibt. Sind wir von Natur aus dafür gemacht, je zufrieden mit unseren Beziehungen zu sein?

Die Frage ist berechtigt, aber ich bin mir keine Antwort sicher. Eins steht aber fest: Vom kleinsten Alter aus sind Beziehungen das, was uns zu dem Menschen macht, den wir heute sind. Der Philosoph Martin Buber sagt sogar, dass in Beziehungen bzw. Begegnungen überhaupt Leben entsteht, im philosophischen Sinne. „Alles wirkliche Leben ist Begegnung“ schreibt er. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Beziehungen in einem gute oder schlechte Gefühle verursachen, sie machen das Leben aus und sie machen uns aus.

Die emotionale Wirksamkeit eines jeden Menschen ist das, was uns formt und ausmacht. Wir reagieren darauf und werden resilienter. Wir entdecken Ressourcen im Austausch und tanken neue Kraft dabei.

Dennoch scheinen wir uns immer wieder gegen diese gegenseitige Wirksamkeit -zumindest das Gute davon- zu sträuben und sind unzufrieden, oftmals mit dem Partner oder zumindest mit dem Gegenüber. Diese Unzufriedenheit ist oft ein Grund für eine innere Entfernung vom Gegenüber.

Nähe und Distanz

Das ist einerseits gut, denn dann ist die heilsame Distanz vom Anderen oft mit mehr Nähe zu uns verbunden. Und Nähe kann wiederum neu aufkommen und einen überraschen. Begegnung erlebt sich dann neu und füllt sich mit neuem Leben und Er-Leben. Andererseits ist Distanz auch eine Falle. Denn unter Umstände verfängt „man“ sich in der vernichtenden Kritik des Anderen. Und die Unzufriedenheit wohnt dann der Beziehung inne wie ein Geschwulst.

Besonders wichtig erscheint es mir an der Stelle sich von dieser Unzufriedenheit zu distanzieren. Sie tritt  oft ein für Unausgesprochenes: Ärger, Wut oder Enttäuschung. Dennoch  können ganz andere Emotionen dahinter stecken, je nach dem, wer in welchem Thema „hängt“. Auf jeden Fall ist Unzufriedenheit als Lebensdekor ein schlechter Ratgeber. Und ich beobachte, dass oft diese Unzufriedenheit in Beziehungen sich zwar auslebt aber ihren Ursprung in einem Selbst findet.

In der Praxis erlebe ich, dass das gesunde Beziehungen sich Nähe und Distanz natürlich bedienen. Ähnlich wie Freude und Trauer gehören sie Hand in Hand dazu. Vielmehr als nur das, sind sie notwendig, denn gesunde Beziehungen bestehen aus zwei verschiedenen Individuen, die sich ihrer Unterschieden und jeweiligen Eigenschaften bewusst sind. Damit es sich gut weiter lebt ist es sinnvoll, seine Unzufriedenheit erstmal zu betrachten. Was bringt mich gerade aus dem Gleichgewicht? Habe ich einen Anteil an der Situation? Wie geht es mir, wenn ich es ausspreche?

Teilen Sie sich mit

Hier geht es nicht darum, die Unzufriedenheit zu ignorieren, sondern vielmehr ihr die Chance zu geben, auch ausgesprochen zu werden. Für eine Beziehung, auch unter Freunden, ist es ein Zeichen von Wertschätzung, auszusprechen „ich bin unzufrieden“ (ein Hoch an die Leser, die gleich an der Spruch vom Pirat in „Asterix und Obelix“ oder in“der Schuh des Manitus“ denken: „ich bin mit der Gesamtsituation unzufrieden“) und teile es mit Dir. Dagegen führt Verkriechen und Schweigen zu Missverständnis und Missmut. Unzufriedenheit kann, systemenergetisch betrachtet, der Versuch sein, kritisch zu sein. Ein Versuch, der nicht gut gelingt. Bleiben Sie auf der Spur und überprüfen Sie, was für eine Fähigkeit versuchen SIE mit Unzufriedenheit zu LEBEN?

Eine spannende Frage, die mir persönlich und meinen Klienten immer spannende Antworten bringt. Viel Spaß dabei und erzählen Sie es gerne in Kommentaren, ich lade Sie herzlich dazu ein.

Herzliche Grüße,

Isabelle Tschernig-Lorenzi

 

 

 

 

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