so erlebe ich gelegentlich meinen Alltag in dieser zweiten Lockdown-Phase. Vielleicht liegt es daran, dass mich unter anderem manche Gedankenwege der Oktober regelrecht flachgelegt hat. Sicherlich spielt es eine Rolle, dass die Arbeit mit Menschen, meinen lieben Klienten, mich zu reflektieren animiert, ja gar inspiriert. Dabei ist keine Schwere, im Gegenteil handelt es sich dabei um einen lehrreichen Austausch. Die entstandene Reflexion führte mich eben zu diesen Gedanken, dass wir offenbar öfter, als uns lieb und bewusst ist, unser Leben auf Pause stellen. Ich freue mich, wenn dieser Beitrag auch bei Euch Resonanz findet und Euch einen Impuls zum nachdenken schenkt. Darüberhinaus freue ich mich, darüber zu hören, was „das Leben auf Pause“ bei ich auslöst, was es mit Euch macht und was Ihr mit „dem“ anfängt? Geschenkte Zeit oder vergebliche Luftblase?
Welcher Koffer Typ sind Sie?
Nach eben einem Coaching mit einer fabelhaften Klientin kam mir der Gedanke. Die besten Termine fangen mit … man würde fast meinen… Kaffeeklatsch, scheinbar belanglosem Austausch von Ereignissen… Man würde meinen… denn plötzlich entsteht eine sanfte Stille, eine Wendung innerhalb eines Satzes und in kürzester Zeit befindet man sich mit dem Klienten in einem zeitlosem Zustand. Gerade da entstehen die wichtigsten und berührenden Erkenntnissen.
Mit dem zweiten Lockdown sind wir nicht mehr so aufgeschmissen, wie zumindest manche es im März waren, wir haben uns schon -bewusst oder unbewusst- unseren Weg gemütlich gemacht, wie wir das aussitzen. Für manche ändert sich das Leben nicht so sichtbar, für manche anderen ist es ein wahres Drama, finanziell oder psychologisch. Gestern kam das Thema im Termin, dass es einem manchmal oder gewohnheitsmäßig schwer fällt „seine Koffer auszupacken“ und das HIER & JETZT zu genießen wie es einfach ist.“ Koffern auspacken“ ist hier bildlich gesprochen aber das Thema kam durch das buchstäbliche Koffer auspacken, ja oder nein. Vielleicht ist es für viele auch nur ein „Hinnehmen“. Dennoch macht es, so denke ich, einen klaren Unterschied in meiner Resonanz, wenn jemand das Ankommen ablehnt. Dabei ist es egal, ob es darum geht im wahrsten Sinne des Wortes eben für 3 Tage im Hotel seine Koffer zu leeren, seine Sachen schön aufzuhängen, es sich gemütlich machen. Ist es überhaupt widersprüchlich? Vielleicht können manche das, es sich in ihren Koffern gemütlich machen. Eine Frage der geistigen Einstellung? Mag sein… Es kann genauso gut darum gehen, aus der fehlenden Entscheidung etwas zu unternehmen, wie ein Umzug, Renovierungsarbeiten, eine Trennung zu vollenden… nicht zu… leben. Ja leben! Persönlich bin ich ein „ich packe sofort die Koffer aus“-Typ und mache es, egal wo, so schnell es geht, zu „meinem“ Ort, für die Zeit, die ich da bleibe. Mir war nicht so deutlich bewusst, dass es andere „Typen“ gibt. Diese Klientin realisierte, dass sie noch nie ein Auspack-Typ war. „Warum sich auch die Mühe für so kurze Zeit machen?“. Nun stellte sie eine Verbindung her zu ihrer jetzigen Situation. Obwohl sie in einer Wohnung seit ein paar Jahren wohnt und ein Kind bekommen hat, ist für sie gefühlt das Leben auf Pause: das Kinderzimmer nicht zu ende eingerichtet, Teppich noch im Schrank, in Folie gepackt… Sie will umziehen, vielleicht ins Ausland, und fürchtet, wenn sie es sich hier gemütlich macht, hindert es sie ihr Vorhaben umzusetzen. Ein Vorhaben, was jetzt nur eine Möglichkeit, ein Wunsch ist. Kein konkreter Umstellungsplan. Sie steckt zwischen Gegenwart und Zukunft fest, ohne in der Gegenwart anzukommen, zu sein, zu leben. HIER & JETZT besteht aus Funktionieren, Arbeiten, Kind versorgen, sich selbst versorgen gerade mal so wie absolut notwendig. Ihre Gedanken wurden klarer, dass sie nicht richtig im ihrem Leben die Hauptrolle spielte, so als würde sich etwas vor ihr abspielen, ohne ihre Teilnahme. Das wollte sie anders machen und in der Zeit könnte sie dann den Umzug planen. Mal sehen, ob aus dem Lebenswandel etwas werden könnte, neu anfangen, anstatt nirgendwo richtig zu sein.
Das brachte mich sehr zum nachdenken.
Die Pausentaste des Lebens
Peu à peu entstanden in mir Parallele zu der jetzigen Situation mit dem Lockdown… und wie ich selbst damit umgehe. Seitdem sprudeln nur die Beispiele, wo auch ich die Pausentaste des Lebens drücke. Das Leben läuft weiter, unbeirrt, mein Leben. Ihr Leben. Die Erde dreht sich, die Kinder wachsen und werden groß. Entscheidungen erübrigen sich. Lange genug ausgesessen. Problem erledigt. Aber bin ich damit happy? Seid Ihr damit happy? Ich sage nicht „glücklich“… Glück halte ich für eine Momentaufnahme, kein Dauerzustand. Ich meine zufrieden, tief im Inneren, dass das Leben genauso läuft, wie es laufen sollte. Was mache aus der Zeit, die mir vielleicht der Lockdown schenkt? Keine Yogakurse, dieses mal auch wegen schwerer Erkrankung keine Videos oder Online Ersatz… Ach ja Rekonvaleszenz war bei mir auf dem Plan, Ruhe! Der Artikel hat nicht den Anspruch auf die Zufriedenheit des Momentums oder auf den Rückblick ins Lebens, vielmehr beschäftigt mich dabei die Frage, wie bewusst gehe ich mit dem HIER & JETZT um? Zuerst der innere Konflikt: um Hilfe bitten, nein sagen, erneut lernen meine Kräfte einzusetzen. Nicht einmal gehen war drin, geschweige denn einkaufen. Das schaffe ich jetzt wieder alleine, nach 4 Wochen, Juhu! Und dann mit dieser inneren Frage „Wie bewusst gehe ich gerade damit um?“ wurde es paradoxerweise von Tag zu Tag leichter wieder gesund zu werden. Die Ruhe konnte ich bewusster erleben, mein Zeitvertrieb bewusster aussuchen, ja gar mit Bedacht. Was tut mir gerade gut? Wonach ist mir gerade jetzt? Schlafen, Film, geht meditieren schon, lesen aber was? Und innerhalb einer Woche hatte sich das Blatt gewendet, Kraft und Energie kehrten zurück, Luft war wieder da, Puls ging runter.
Mein ganz persönlicher Lockdown war fast ein Shutdown.
Wie viel in unserem Leben sitzen wir aus? Wie viel sitzt Ihr aus? Was braucht es dafür an Bewusstsein um „anzukommen“? Gelegentlich ist es ausreichend sich etwas im Klaren zu werden, um „etwas“ in Gange zu setzen. Oft nicht, oft passiert nichts. Da braucht’s eine scheinbar ganze Reihe von Ereignissen oder zusätzlichen Erkenntnissen, um in die Pötte zu kommen. Viel mehr spüre ich, dass dieses dubiöse „Etwas“, was passiert, etwas tatsächlich in Gang setzt, was UNS wiederum FREI MACHT und dann kann spielerisch, wie von selbst das LEBEN seinen Lauf nehmen. Läuft eben! Es kommt der Spruch „Alles fliesst“ in den Kopf. Das ist kein Zufall. Das hat zum richtigen Zeitpunkt, den richtigen Nerv in uns getroffen, was einen unsichtbaren, bisher nicht gefunden Schalter umlegt. Und dann geht’s los! Nix da mit Leben auf Pause. Und das geht manchmal so einfach wie mit der Frage „Wie bewusst lebe ich gerade meine Situation?“
Manchmal notwendig
Und das ist toll, wenn es dann läuft, von innen tut es einem vielleicht sogar Angst, von Außen sicher auch, weil es manchmal Menschen dazu bewegt, sich zu trennen, als sei plötzlich der Vorhang hochgegangen, alles sei klar geworden. Bühne frei fürs Leben. So hat es meine liebe Freundin Elisabeth gemacht! Ich bewundere sie dafür, wie sie innerhalb von 5 Monaten ihr Leben komplett umgekrempelt hat und lebt, vielleicht zum ersten Mal in ihrem Leben, liebt und lebt. Fing auch mit einer sehr ähnlichen Frage an.
Gehe ich da einen Schritt zurück, wie wenn ich in Zeitlupe einen Film zurückspule, sehe ich zwar vielleicht den Moment, wo die Lawine ins Rollen gekommen ist. Die Faktoren aber, die dazu geführt haben, dass es passierte, können Monate, Jahre, gar Jahrzehnte gebraucht haben, um die genauen, passendsten Bedingungen zu schaffen. Das Schlummermodus nenne ich das! Ist nichts Schlimmes, tut nur weh, wenn man es dann merkt und da nicht ausbrechen kann. Dann wird man zum Gefangenen im eigenen Leben!
Alles in allem
Ja, alles in allem bedeutet das manchmal, die Pause als Reifezeit für die Früchte des Lebens anzusehen. Und es bedeutet auch den Zeitpunkt des Ernten nicht zu verpassen. Ob wir den Lockdown, die Krankheit oder die Arbeitslosigkeit vielleicht nutzen können, um unser Leben neu auszurichten oder auf das zu schauen, was sonst zu kurz kommt, kann jeder für sich entscheiden. Wenn Ihr Euch dafür entscheidet drauf zu schauen, dann stellt Euch diese Frage „Wie bewusst gehe ich gerade mit meiner Situation um?“ So oft geschieht es nebenbei, unbewusst und wir verpassen vielleicht die Gelegenheit zu wachsen, zu wechseln, zu starten oder ganz einfach dankbar zu sein, für das, was da ist, HIER & JETZT. Persönlich bin ich bei Weitem nicht mit allem zufrieden, aber unendlich dankbar, für die Menschen in meinem Leben, die Fülle und die Wahl, die ich tagtäglich treffe. Bin ich mir dessen bewusst, kann ich differenzieren und teilen, unzufrieden sein und dankbar. Alles in allem, lohnt es sich zu schauen, ob ich wirklich bewusst lebe, was da ist, jetzt.
Ein herzliches Dankeschön für Eure Impulse in meinem Leben!
Isabelle